Stabilisierung trotz Herausforderungen: Der aktuelle Stand des Immobilienmarktes in Deutschland

Historische Zinswende beeinflusst Immobilienmarkt

In diesen Tag feiern wir den Jahrestag der historischen Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Juli 2022 wurde der Leitzinssatz um 0,25% erhöht und damit die Geldpolitik regressiver. Zwischenzeitlich wurde der Leitzins weitere siebenmal erhöht und beträgt aktuell 4,00%.

In der Folge verteuerten sich auf die Zinsen für Kredit und beeinflussen Kaufentscheidungen direkt. Private Haushalte haben in der Konsequenz gegen den Kauf von Wohnimmobilien entschieden, da die -nach wie vor- hohen Kaufpreise zu (zu) hohen monatlichen Belastungen führen. Verkäufe gerieten ins Stocken und Kaufpreise sanken teilweise.

Hohe Inflation, teurere Neubauprojekte, sinkende Baugenehmigungen

Eine sehr komplexe Situation durch die nach wie vor hohe Inflation. Die Fertigstellung bereits genehmigten und begonnen Bauvorhaben verteuerte sich teilweise erheblich. Die Folge ist die Verteuerung von Neubauprojekten. Baufirmen reagierten mit verringerter Aktivität und Kosteneinsparungen. Die Zahlen der Baugenehmigungen sanken um 26% (!).  Für das laufende Jahr rechnet der Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) nur noch mit 240.000 fertiggestellten Wohnungen. Dieser Wert liegt rd. 50% unter dem tatsächlichen Bedarf. Die Bundesregierung hält nach wie vor an dem selbstgesteckten Ziel von 400.000 neuen Einheiten pro Jahr fest. Angesichts der aktuellen Situation wohl mehr ein frommer Wunsch, als ein realistisches Ziel.

Stabile Preise wegen reduzierter Neubautätigkeit

Der Bedarf an Wohnraum ist weiterhin -gerade in nachgefragten Lagen extrem hoch. Die reduzierte Neubautätigkeit und verlangsamte Fertigstellung stütz die Preise für bereits bestehende Immobilien. In der Folge werden diese vermehrt auch von „Neubau“-Interessenten nachgefragt. Die Kaufpreise sanken im Bundesschnitt lediglich um 2,1%. Das Transaktionsvolumen bei institutionellen Anliegen reduzierte sich von 4,5 Mrd. auf nur noch 2,3 Mrd. EUR. Immobilien wechseln seltener den Eigentümer.

Verschlechterte Erschwinglichkeit erhöht Nachfrage nach Mietwohnungen

Begünstigt durch die niedrige Arbeitslosigkeiten stabilisieren sich die Kaufpreise weiter. Trotz der teilweise erheblich schlechten Rahmenbedingungen gelten Wohnimmobilienfinanzierungen als qualitativ hochwertig. Banken finanzieren Wohnprojekte nach wie vor gerne.

Zusätzlich führt die verschlechterte Erschwinglichkeit zu einer Erhöhung der Nachfrage an Mietwohnungen. Das wirkt besonders in Metropolen und Städten unmittelbar auf die Mietkosten. Diese stiegen für Neuverträge im ersten Quartal um 7,4%. Laut vdp ist dies der stärkste Anstieg seit dem vdp-Immobilienpreisindex.

Keine dramatischen Korrekturen prognostiziert

Gesa Crockfold, Co-Geschäftsführerin von Immobilienscout24 antwortet dem Handelsblatt unmissverständlich auf die Frage, was sie für das Jahr 2023 erwartet. Die Kaufpreise werden sich ihrer Meinung nach in einem Korridor bewegen. Mit dramatischen Korrekturen rechnet sich nicht. Damit erklärt sie den Preisrutsch von teilweise und regional von bis zu zehn Prozent im vierten Quartal 2022 für beendet.

Die Käufer gewöhnen sich zunehmend an die neuen Rahmenbedingungen und veränderten Rahmenbedingungen.

Aus Gesprächen mit Baufirmen geht hervor, dass auch das Nachfrageverhalten überarbeitet wird. Nicht nur die durchschnittliche Wohnfläche und die Lage des Grundstücks werden evaluiert. Ein besonderer Fokus liegt nach wie vor auf den Energieträgern für die neu errichtete Immobilie.

Wohnraum wird perspektivisch teurer, insbesondere in den Großstädten

Das kürzlich durch Immobilienscout24 erstellte Wohnbarometer bestätigt die Stabilisierung des deutschen Immobilienmarktes und stellt fest, dass die Angebotspreise wieder leicht steigen.

Der vdp kommt zu einem anderen Ergebnis. Die Preiskorrektur am Immobilienmarkt hält weiter an. Indikatoren, die auf ein Abschwächen der Abwärtsbewegung hindeuten werden im Immobilienpreisindex nicht näher thematisiert.

Die Knappheit verfügbarer Wohnungen wird weiter andauern und wird durch die prognostizierte Zuwanderung verstärkt. Die aktuelle Situation zeigt, dass Wohnraum in den Großstädten perspektiv noch teurer werden wird. Die Erschwinglichkeit gerade für Millennials wird kontinuierlich verringert. Die Lösung für diese Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ist simpel und langwierig zugleich. Es bedarf mehr Angebot, „um die Preise auf bezahlbarem Niveau zu halten“, so Crockfold. „Das Wohnen in den Metropolen wird noch teurer. Vor allem für Mieter wird es bitter.“, so das Plädoyer.

Genau deswegen hält sie die Immobilie nach wie vor für eine „attraktive Anlageform“, sofern über ausreichend Eigenkapital verfügt werden kann. Viele Investoren werden aktuell besonders durch die unklaren zukünftigen politischen Rahmenbedingen ausgebremst.

Hier ist die Bundesregierung gefragt (endlich) transparent zu machen, wie den Herausforderungen der Wohnraumknappheit begegnet werden soll. Die aktuell bestehenden Förderungen sind an vielen Stellen vollständig an der Realität vorbeigeplant. Auch die Unsicherheiten wie mit Modernisierung bereits bestehender Immobilien umgegangen wird und welche Verpflichtungen für den Neuerwerber entstehen steigern die Unsicherheit und lassen den Traum von den eigenen Vierwänden zu riskant erscheinen.

Quellen:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/201216/umfrage/ezb-zinssatz-fuer-das-hauptrefinanzierungsgeschaeft-seit-1999/#:~:text=Seit%20dem%2021.,hohe%20Inflation%20in%20der%20Eurozone.

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/wohnungsbau-bundesregierung-2006224

https://www.pfandbrief.de/site/de/vdp/immobilie/finanzierung_und_markt/vdp-immobilienpreisindex.html#

Carsten Herz, 20.06.2023, ImmoScout-Chefin erklärt, wie sehr Hauskäufer die Preise drücken können, Handelsblatt, https://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/immoscout24-chefin-wie-stark-sie-beim-hauskauf-den-preis-druecken-koennen/29211422.html, 25.06.2023

Carsten Dickhut, vdp QUARTELY, https://www.pfandbrief.de/site/dam/jcr:982e6f8f-863a-4aec-8525-ed6d4aa36655/Quarterly_02-2023_Online.pdf, 25.06.2023

Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V., Preiskorrektur am Immobilienmarkt hält weiter an, vdp INDEX, https://www.pfandbrief.de/site/dam/jcr:904bdc7e-2ae5-46ff-b4f1-865dcc009d4c/vdp_Index_2023_Q1%20_%20DE_Broschuere_final.pdf, 25.06.2023

Foto von CHUTTERSNAP auf Unsplash

Jan Mehlkopf

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