Das Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2023

Das Frühjahrsgutachten wird im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) durch den Rat der Immobilienweisen erstellt und publiziert. Die Zielsetzung der ZIA ist die umfassende und einheitliche Interessenvertretung der gesamten Vielfältigkeit der Immobilienwirtschaft. Insgesamt umfassen die Ausschüsse, in denen die inhaltliche Arbeit stattfindet, rund 500 Experten aus den Mitgliedsunternehmen und -verbänden. Letztlich repräsentiert die ZIA damit rund 37.000 Branchenunternehmen.

Mitglieder des Rates sind:
Sven Carstensen, Vorstand Analyse/Bewertung der bulwiengesa AG
Prof. Dr. Dr.h.c. Lars P. Feld von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Direktor des Walter Euken Instituts
Michael Gerling, Geschäftsführer der EHI Retail Institute
Prof. Dr. Harald Simons, Mitglied des Vorstandes der empirica ag
Carolin Wandzik, Leiterin Strategie- und Geschäftsfeldentwicklung der GOS Gesellschaft für Ortsentwicklung und Stadterneuerung mbH

Die Gliederung umfasst neben der einleitenden und generellen Bewertung der aktuellen Entwicklung detailliert die Bereiche „Büro-, Unternehmens-, Logistik- und Hotelimmobilien“, sowie „Einzelhandelsimmobilien“, „Gesundheits- und Sozialimmobilien“ und „Wohnimmobilien“. Abschließend bewertet Wandzik die Zukunft der Innenstadtentwicklung.

Ich beschränke mich in diesem Beitrag auf den Bereich der Wohnimmobilien. Dieser wurde federführend von Prof. Dr. Harald Simons unter Mitarbeit von Arnaud Salla (beide empirica ag) erstellt.

Nachfrageentwicklung:

Das durchschnittliche Bevölkerungswachstum in Deutschland in den letzten Jahrzehnten beträgt 1,14%. Nach stärkeren Zuwächsen im vorherigen Jahrzehnt sank das Wachstum erheblich. Während der Coronapandemie schrumpfte die Bevölkerungszahl sogar.

Vor dem brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine waren zum Jahresende 2021 bereits 155.000 Ukrainerinnen (im Schwerpunkt) und Ukrainer in Deutschland gemeldet. Im Oktober 2022 rd. 1 Mio. mehr. Für das Jahr 2022 wird mit einem Nettozuwachs von 1,1 Mio. Personen aus der Ukraine gerechnet. Damit könnte 2022 das Jahr mit der höchsten Nettozuwanderung seit Bestehen der Bundesrepublik werden. Bis ist dies mit einem Nettozuwachs von 1,1 Mio das Jahr 2015.

Für 2023 wird mit einer Halbierung des Zuwachses auf rd. 550.000 Personen gerechnet.

Die aktuelle Situation ist hoch unsicher. Besonders Aussagen über den möglichen Verbleib Ukrainischer Staatsangehöriger innerhalb des Bundesgebietes lassen sich nur schwer treffen. Die tatsächlichen Ambitionen werden zu einem erheblichen Teil von der Dauer des Krieges abhängen. Aktuell plant ein Viertel dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Über 10% gehen von mehreren Jahren aus und lediglich ein Drittel will unmittelbar nach Kriegsende zurückkehren. Die zugrunde liegende Prognose geht von einer leichten Rückwanderung ab 2024 aus, was zu einem stagnieren der Einwohner in Deutschland führt.

Durch die spontane Zuwanderung wurde kurzfristig die Nachfrage um knapp 200.000 Wohneinheiten erhöht. Durch den hohen Bildungsgrad der Geflüchteten und die durch die Politik ermöglichte schnelle Integration in den deutschen Arbeitsmarkt leben bereits 44% in einer eigenen Wohnung. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,58 und unter Betrachtung, dass die Männer in vielen Fällen die Ukraine nicht verlassen dürfen unterstreicht die Möglichkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr schnell „Fuß zu fassen“.

Bis zum Jahr 2035 wird mit einer Reduzierung der Haushalte auf das Niveau von 2021 / 2022.

Angebotsentwicklung

Im Jahr 2021 wurde in Deutschland nur 293.500 fertiggestellt. Das sind 13.000 (-4,2%) weniger als im Vorjahr. Diese Zahlen laden zur Fehlinterpretation ein, da die Fertigstellungen oft durch „Time-Lag-Folgen“ in das Folgejahr übertragen werden. Die Anzahl der Baugenehmigungen stieg 2021 nur noch geringfügig auf 380.000. Für 2022 wird dann ein Rückgang auf 364.000 erwartet.

Die Anzahl der Baugenehmigung ist für die Entwicklung des Angebotes weniger relevant als die Rate der Baufertigstellungen. Durch die erheblich gestiegen Baukosten -immerhin um 16,5% im dritten Quartal 2022- erwägen 16,5% der befragten Baufirmen Stornierungen. Bei einer Stornierung wird das Projekt dann im Regelfall mit entsprechender Baugenehmigung weiterverkauft. Daher sind die Anzahl der Stornierung für die Fertigstellungsquote ebenfalls nicht zwingend erheblich. Bereits genehmigte Projekte werden ggfs. von einer anderen Baufirma fertiggestellt (Realisierungsrate).

Die gestiegenen Baukosten werden durch gestiegene Preise für Vorleistungen und -produkte beeinflusst. Diese wiederum begründen sich in den hohen Energiekosten, sowie der Verknappung durch gestörte Lieferketten.

Zusätzlich sind die hohen Preissteigerungen durch die Bauunternehmen auffällig. Diese Preissteigerungen gehen über den Preisanstieg bei Vorprodukten hinaus. Das ifo Institut beschrieb die Situation damit, dass „viele Unternehmen die Gunst der Stunde genutzt haben [ihre Preise], über den Preisanstieg der Vorprodukte hinaus […] anzuheben“. Der Neubau wird in der Folge perspektivisch weniger margenorientiert erfolgen können.

Kaufpreisentwicklung

Im bundesweiten Jahresvergleich stiegen die Preise für Eigentumswohnung in 2022 um 7,8% -trotz sinkender Angebotspreise im Q4 von über 2,4%. Die Preise über alle Wohnimmobilien sind auf Basis der Notarverträge vom zweiten zum dritten Quartal 2022 um 0,4% gefallen.

Für die Bewertung der Preisentwicklung ist entscheidend welche Preise unterschieden werden. Zum einen gibt es den sogenannten Angebotspreis, dieser ist leicht über große Immobilienplattformen zu ermitteln. Der Angebotspreis entspricht der Preiserwartung des Verkäufers. Auf der anderen Seite gibt es dann den tatsächlichen Verkaufspreis. Dieser Verkaufspreis wird im Notarvertrag beurkundet. Bei der Bewertung der Kaufpreisentwicklung sind die im Notarvertrag beurkundeten Kaufpreise relevant. Die Angebotspreise bieten lediglich einen Indikator.

„Der mehr als 10-jährige Anstieg der Immobilienkaufpreise ist beendet“ resümiert auch Prof. Dr. Harald Simons. Nach seiner Einschätzung resultiert die deutlich Kauf- und Bauzurückhaltung aus dem Anstieg der Zinsen. Bereits seit April 2021 sinkt das Neugeschäftsvolumen für Wohnungsbaukredit durchgehend. Letztmalig lag es vereinzelt in Monaten in den Jahren 2007 und 2008 so niedrig.

Quellen:

https://zia-deutschland.de/wp-content/uploads/2023/02/Fruehjahrsgutachten-2023.pdf

Jan Mehlkopf

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