Der Bausektor im Umbruch

Im Kreis drehen für den Fortschritt

Die heutigen Bauprojekte zeigen die starke Abhängigkeit von Rohstoffen. Gerade durch den Krieg in der Ukraine und die Störungen der Lieferketten explodieren nicht nur Energiekosten, sondern zusätzlich auch die Rohstoffkosten. Lt. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes kommen 30% des Baustahls, sowie 40% des Roheisens aus Russland, der Ukraine und Weißrussland. Auch die Lieferzuverlässigkeit von Bitumen wird von 58% der 3. Bauindustrie-Umfrage bemängelt.

Muss denn immer alles neu sein?

Heute wird bei Bauprojekten nach dem „Take-make-waste“ Prinzip agiert. Bei Abriss eines bestehenden Bauwerkes werden die dadurch gewonnen Rohstoffe überwiegend auf Deponien entsorgt. Auch wenn diese noch brauchbar wären. Daher ist der Sektor für insgesamt 60% des Abfallaufkommens verantwortlich. Der Anteil am CO2-Ausstoß liegt bei 40%.

Ganz offensichtlich hat der Sektor einen erheblichen Einfluss auf die bis 2050 geplante Klimaneutralität. Und eine immense Verantwortung für eine nachhaltige Gesellschaft.

Klassischer Neubau muss die Ausnahme werden

Aktuell wird nur ein Prozent der Baumaterialien wiederverwendet. Es muss ein grundsätzliches Umdenken stattfinden. Weg von „Take-make-waste“ hin zu „Take-make-reuse“. Natürlich kann auch ein klassischer Neubau Rohstoffe wiederverwenden.

Was spricht dagegen die (im eigenen) Land gewonnenen Rohstoffe zu recyclen?

Ob die Rohstoffe, die bei einem Abriss oder Rückbau in Berlin gewonnen werden auch in Berlin verbaut werden müssen und können oder ob diese nach Aufbereitung eventuell an einer anderen Stelle ein „Neues Leben“ finden sei einmal dahin gestellt. Schließlich wird Recycling-Papier auch nicht zwingend in dem Büro verwendet, wo es entstanden ist.

Die große Herausforderung bei der Wiederverwendung liegt in der aktuellen Rechtslage. Die Anforderungen an Baustoffe, die genutzt werden dürfen, werden durch Normen und Standards geregelt. Diese fokussieren sich auf technische und verfahrensmäßige Neuerungen. Daher werden bereits bestehende Baustoffe von diesen nicht berücksichtigt. Diese Baustoffe sind daher sogenannte nicht geregelte Bauprodukte.

Damit ein nicht geregeltes Bauprodukte den Status des geregelten Bauteils erlangt ist eine Zertifizierung und Prüfung notwendig. Werden bei einem Rückbau bspw. Ziegelsteine gewonnen müssen diese eine Zulassung im Einzelfall (ZiE) durchlaufen. Hierbei wird auf der erste Einbauort berücksichtigt.

Die Verfahren, die zu einer Rezertifizierung notwendig sind, sind nicht einheitlich geregelt. Neben der ZiE bei Ziegeln, durchlaufen Leuten eine erneute CE oder VDE-Prüfung.

Welche Vorteile haben die Bauherren vom Recycling?

Die Entwicklung zu einem zirkulären System und einer Wiederverwendung, bzw. -verwertung hat nicht nur Vorteile im Rahmen der Klimaneutralität, sondern auch für den Bauherren. Neben der kürzeren Lieferwegen und damit zu erwartenden Erhöhung der Lieferfähig- und -schnelligkeit vermeidet das Recycling zusätzliche Kosten für die Entsorgung. Sollten die einzelnen Baustoffe nach Rückbau und der notwendigen Zertifizierung direkt wieder verwendet werden, entfallen die Kosten für die Entsorgung. Diese Kosten werden oftmals -mangelnder Wertsteigerung- seitens der Finanzierungsanbieter nicht mitfinanziert. Somit werden Kosten gesenkt und das Eigenkapital reduziert.

Der Baustoffzyklus muss ein Kreis werden

Im Rahmen der Überarbeitung der Kfw-Förderungen ist angedacht die Ressourceneffizienz zu berücksichtigen. Nur durch eine Bewertung der baulichen Substanz auf einem Grundstück, gefolgt von einem Rückbau und Rezertifizierung und der Verwendung in dem geplanten Bau wird sich der Sektor seiner Verantwortung gerecht. Durch diese strukturelle Veränderung wird sowohl das Abfallaufkommen, sowie der CO2-Ausstoß reduziert.

Langfristige stabile und nachhaltige Baukosten werden nur durch diese Entwicklung sichergestellt werden. Auch hier muss der Trend hin zu regionalen Lieferanten zur Reduzierung unnötiger Lieferwege gehen.

Quellen:

https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/ukraine-krieg_auswirkungen_baubranche_saarland_100.html

Campanella und Grelck: Beim Bauen müssen wir uns im Kreis drehen. In Immobilienwirtschaft Nr. 7-8 2022, S. 63 – 65

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Jan Mehlkopf

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